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Digitalisierung und dann ... Teil 3

Ehrlich, was soll der Scheiß? Warum schickt ihr mir immer wieder Briefe (Kostet Porto und Papier) für etwas, was ich etliche Tage vorher schon elektronisch bekommen habe?
Das "nenneswerte Amt" ist natürlich die "Bundesagentur für Arbeit" welche mich mit einer unnötigen Briefflut (bis 3 Stück/Tag) regelrecht bombardiert. Nicht nur, dass ich für 90% der "Vermittlungsvorschläge" ganz sicher keinen Finger krumm machen würde, wenn ich nicht gerade am verhungern wäre (hallo - ich habe einen Beruf erlernt, der aktuell sehr gefragt ist!), so erhalte ich diese "Vermittlungsvorschläge" doch 4 Tage vorher schon in euern, zugegebenermaßen beschissenen, Webportal (Ich hab da zwei verschiedene Postfächer, machmal hängt die Seite in einer Dauerladeschleife und und und). Es ist also völlig unnötig, mir diese auch noch in Papierform zukommen zu lassen. Ich habe diese bereits gelesen und falls, ich betone, [b]falls[/b] sie für mich relevant sind, auch entsprechend bearbeitet.
Was ist für mich relevant? Wie wäre es mit meinem Beruf? Ich habe "Elektroinstallateur" gelernt. Umgangssprachlich redet man hier auch vom "Elektriker". Die neumodische und ehrlich gesagt, absolut dämliche, Bezeichnung lautet heute "Elektroniker/in - Energie- und Gebäudetechnik".
Es bringt mir und den suchenden Firmen also recht wenig, wenn man mich mit Stellenangeboten für den Beruf "Elektroniker/in - Geräte und Systeme" bombardiert - dann auch noch mit "Rechtsfolgebelehrung" - ich muss mich dort also bewerben. Ich denke mal die für das Personal zuständigen Personen liegen jetzt noch lachend unterm Tisch.
Zur Erklärung - was ein Elektriker macht, dürfte jedem soweit klar sein. Der legt Leitungen, verknotet die irgendwo und wenn er alles richtig gemacht hat, könnt ihr euer Licht einschalten oder den Stecker in die Steckdose stecken, ohne tot umzufallen. Natürlich ist das nicht alles, was ein Elektriker, Elektroinstallateur oder eben der, die, das "Elektroniker/in - Energie- und Gebäudetechnik" macht, es ist aber eben etwas komplett anderes, als die Arbeit eines "Elektroniker/in - Geräte und Systeme". Die suchenden Firmen wollen Leute, die Leiterplatten erstellen, SMD-Bestückungssysteme bedienen und sich mit "Mikroelektronik" auskennen - mit anderen Worten - bei denen fließt der Strom durch winzig kleine Bauteile. Bei mir fließt er durch Kabel, die zum Teil so dick wie mein Oberschenkel sind. Mit anderen Worten: Ich bau keine Handys, Computer usw.
Ihr glaubt gar nicht, wie mich diese "Bundesagentur für Arbeit" nervt. Da ich das schon befürchtet hatte, habe ich auch recht lange einen Bogen um den Laden gemacht. Die verstehen es einfach nicht: Das einzige, was ich von denen will, ist mir die Rosinen aus deren Datenbank zu picken, weil ich nicht mehr im Handwerkbereich tätig sein will, sondern in die Industrie gehen möchte (ist einfach ruhiger und besser bezahlt), um dort meine Zeit bis zur Rente zu verbringen. Im Handwerk hätte ich nahtlos die Firma wechseln können, aber wer meine Beiträge öfter liest - ich möchte nicht mit der fetten Hilti in der Hand aus Altersschwäche von der Leiter kippen, sondern meinen Arbeitsbereich dahin verlagern, wo ich es mir auch als "alter Sack" noch zutraue mir meine Brötchen selbst zu verdienen. Das heißt für mich - keine wechselnden Baustellen mehr, keine jammernden Kunden. Auch die Bezahlung ist ein himmelweiter Unterschied. Dann kommt noch betriebliche Altersvorsorge hinzu und und und. Das kann mir der kleine Handwerksbetrieb nicht (mehr) bieten und mein Körper kann diese Leistung auch nicht mehr die nächsten/letzten 15-18 Jahre bringen. Ich will keinen Urlaubstag mehr damit verschwenden, einen Ausweis zu beantragen, mich mal beim Arzt durchchecken zu lassen, ohne krank zu sein oder bei der Post mal ein Paket abzuholen weil angeblich niemand zu Hause war.
Nur dafür brauchte ich die Bundesagentur für Arbeit, für die Kontakte in die Bereiche. Im Handwerk habe ich viele Kontakte, ich konnte und habe diese die letzten 30 Jahre gesammelt und gepflegt. Auch im Industriebereich habe ich schon Kontakte geknüpft gehabt, allerdings in der falschen Region, da stand der Umzug noch nicht auf der ToDo-Liste. Hier konnte ich neue Kontakte knüpfen, mit der chemischen Industrie, mit Getränke- und Lebensmittelproduzenten, Herstellern für Landmaschinen, sogar im Bereich Wohnmobile habe ich meine Verbindungen und und und - mein Tätigkeitsfeld ist dort überall das Gleiche, ich halte die Anlagen oder Geräte in Schuss, damit sie laufen. Das sind also Elektro- und Schlosserarbeiten. Keine Waschmaschinen mehr in den fünften Stock allein schleppen, auf Dächern rumspringen um SAT-Schüsseln einzustellen, auszutauschen oder abzubauen, keine Baustellen mehr einrichten, durchziehen und beräumen, keine Baustellen mehr ohne Toilette oder fließendes Wasser, wie es leider fast immer an der Tagesordnung war, was meinen Magen und die Verdauung stark geschädigt hatte. Keine Idioten mehr, denen am 23.12. einfällt, dass ihre Außensteckdose nicht geht (ja - das hatte ich öfter) und vor allem, ich muss mir nie wieder ins Gesicht sagen lassen, dass alle Handwerker nur ihre Kunden abzocken wollen. Dafür und nur dafür habe ich die Bundesagentur für Arbeit wirklich gebraucht.
Da ich mich aber letzten Monat bei denen angemeldet habe, hab ich natürlich auch Arbeitslosengeld beantragt. Wisst ihr was, behaltet es, werdet glücklich damit. Ich frag mich nur, warum habe ich die letzten 30 Jahre dort eingezahlt, wenn ich nun schon fast wie ein Schwerverbrecher behandelt werde, nur weil ich es ein paar Wochen ohne euch versucht habe? Ja, seit Anfang Juli bin ich bereits ohne Einkommen, die Jahre vorher ist auch nicht mehr viel reingekommen. Ich habe nie um Unterstützung gebeten, nie Wohngeld oder gar Bürgergeld beantragt, weil ich mir schon immer gesagt hab, was ich verdiene muss reichen, notfalls muss ich Abstriche machen. Ich habe vom 01. Juli bis ca Mitte Oktober gebraucht, um selbst wieder zu funktionieren (gesundheitlich und vor allem im Kopf). Mein finanzieller Puffer ist natürlich aufgebraucht, so ein anderer Schnapsverein wird mir auch daraus noch einen Strick drehen (liebe Spaßkasse, habt Gelduld, im Februar sind wir quitt). Ich muss derzeit aber auch keine Miete zahlen, muss nicht unter der Brücke schlafen und auch im Kühlschrank ist was drin. Ich lebe, nicht gut, aber ich lebe. Wie auch immer, erst nachdem ich mit mir wieder im reinen war, bin ich zu euch gekommen, eigentlich nur, um eure Kontakte zu nutzen und schnell wieder in Lohn und Brot zu stehen, aber wenn ich schon einmal da bin ... hey, ich hab 30 Jahre in eure Kasse gezahlt, gönnt mir doch noch den einen Monat um die Weichen richtig zu stellen, im Dezember, vielleicht auch schon eine Woche eher, seid ihr mich doch schon wieder los. Die Angebote habe ich auf dem Tisch, mein Stichtag war der 15.11., um mich für eine der über 160 offenen Stellen im Umkreis von 25km (die auch zu meinem Beruf passen) zu bewerben und einen Vertrag zu unterschreiben (13 von euch vermittelte, tonnenweise Müll wie Zeitarbeitsfirmen (ca 50), aber auch eine handvoll Rosinen, alles andere war zu weit weg vom gewünschten Beruf oder vom Ort). Fast jeder Elektrobetrieb sucht Elektriker. Ich entscheide hier nicht, wer mich zuerst haben kann oder wo ich zuerst anfangen kann, sondern von wem ich am längsten was habe. Das fängt schon allein beim Verdienst an, aber selbst der ist nicht einmal das Wichtigste. Warum sollte ich mich den erstbesten an den Hals werfen, nur weil die Bundesagentur meint, mich unter Druck setzen zu müssen, obwohl ich bei einer anderen Firma für eine ähnliche Arbeit fast das doppelte verdienen kann oder ein anderer inhaltlich genau das bietet, was ich möchte? Wir reden hier über mein geplantes, letztes Kapitel meiner beruflichen Laufbahn. Ich suche nach einem Arbeitgeber, bei und mit dem ich alt werden kann und auch will. Ich werde nicht jünger und sicher auch nicht mehr viel fitter. Versteht ihr das? Die Chemie muss stimmen, ich muss an die Zeit danach denken, muss jetzt die Weichen stellen und dabei ist es mir scheiß egal, ob ihr meint, Druck aufbauen zu müssen. Ich unterschreibe bei dem Arbeitgeber, der mir einen sicheren Job bis zur Rente und darüber hinaus bieten kann, ohne dass ich auch nur einmal meine Arbeitstelle, meinen Arbeitsort wechseln muss. Ein Handwerksbetrieb kann das nicht.
Liebes Waldvernichteramt, macht ihr euern Job, aber macht ihn wenigstens richtig. Das fängt schon dabei an, unnötiges Papier zu vermeiden, Vermittlungsvorschläge aufgrund meiner Qualifikationen zu erstellen, anstatt alles, was mit "Elek" in der Berufsbezeichnung beginnt unter Zwang zu vermitteln. Eigentlich brauche ich gar keine Vermittlungsvorschläge mehr, nur leider gibt es in euerm System keinen Punkt "Wartet auf meine Unterschrift", sondern nur "eingestellt zum" - daher muss ich leider weiter als arbeitsuchend geführt werden, mich bei jeden bewerben, wo ihr meint, Druck machen zu müssen (die Rechtsfolgebelehrung). Die Suche ist aber vorbei, sie dauerte genau 2 Tage und die Klärung einiger wichtiger Details (nächste Woche kommt mein Wilhelm unter den Vertrag, außer es meldet sich bis dahin noch die letzte Rosine zurück und bietet mir noch bessere Rahmenbedingungen).
Ihr habt alle Unterlagen, die ihr braucht, ich hab 30 Jahre in die Kasse gezahlt und zahle in ein paar Wochen wieder ein. Jetzt entscheidet einfach, wie lange ihr mein Geld sperren wollt, vergesst dabei aber nicht die 3 Monate, in denen ich gar kein Geld von euch wollte oder verrechnet diese mit der Sperrzeit. Ab nächste Woche beginne ich dann, Druck bei euch zu machen. Egal - macht, was ihr wollt, aber bitte: SCHICKT MIR NIEMALS WIEDER EINEN TOTEN BAUM! NIEMALS!
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