Letztes Jahr hielt sich (wie auch die Jahre zuvor) meine Begeisterung in Grenzen und ich habe einfach das Gefühl, es wird nicht besser sondern immer schlimmer.
Der große Unterschied zum letzten Jahr ist, dass ich nun wieder im Osten der Republik bin. Hier und da sehe ich ein paar kleine Fortschritte, aber das war es auch schon. Es herrscht eine aggressive Grundstimmung, auch unter Verwanden, die ich so noch nicht gesehen habe. Ich mochte das Schwabenland nie wirklich, aber nach ein paar Monaten würde ich hier am liebsten wieder schreiend wegrennen. Das endet noch in einer richtigen Katastrophe, wenn wir nicht alle etwas aufpassen.
Hier in meinem Geburtsort werden Stadtteile abgerissen. Zeitz, eine damals geschäftige Stadt, wirkt in manchen Straßen wie eine Geisterstadt. Ganze Straßenzüge sind unbewohnt, alles zerfällt. Ja - da sah es 1989 schon schlimm aus, aber da war wenigstens noch Leben dort. Eine andere “größere Stadt” ist Weißenfels - auch hier sieht es nicht wirklich besser aus. Auf dem Marktplatz werden hinter großen Planen zerfallende Häuser versteckt, damit wenigstens das Zentrum noch irgendwie etwas hermacht. Es ist schlimm - ich kannte beide Städte aus meiner Kindheit und Jugend. Es war immer Trubel, man hat viele Menschen gesehen. Heute habe ich das Gefühl, es sind nur noch die da, die es aus eigener Kraft nicht weggeschafft haben. Viele alte Leute und etwas Schreivolk. So kann man diese Region nicht retten - keine Chance!
Den, ich nenne sie mal Hinterbliebenen, gebe ich aber nicht die Schuld. Es ist Verzweiflung und Unsicherheit, welche sie dazu bewegt, durch gesetzte Kreuze ihr Schicksal endgültig zu besiegeln. Erinnert ihr euch an die frühen 90er? Heute nennt man sie “die Baseballschlägerjahre”. Das war die Zeit, in der ich meine letzten Schuljahre verbrachte. Ich fühlte mich damals verloren, verraten und verkauft und auch ich habe nach jedem Strohhalm gegriffen, der mir irgendwie einen Hauch von Sicherheit oder Zugehörigkeit versprach. Es hat lange gedauert, bis ich begriff, worauf und auf wen ich mich damals eingelassen hatte.
Mit den Fingern auf diese Leute zeigen oder sie als dumm hinzustellen, nützt niemanden was. Sich ihnen zu nähern, indem man Positionen von politischen Gegnern einnimmt, bringt noch viel weniger. Etwas zu tun, was diesen Leuten wirklich hilft, kann der Beginn sein, aber auch hier werdet ihr Geduld brauchen. Die letzten Jahre haben dazu geführt, dass kein Vertrauen mehr vorhanden ist. Gewinnt es euch zurück und zwar dadurch, dass ihr eure Standpunkte und nicht die der Anderen vertretet. Versucht wenigstens einen Teil der Lockversprechen einzulösen, die ihr damals gegeben habt. Beachtet dabei auch das, was ich letztes Jahr bereits angesprochen habe!